Sonntag, 17. Januar 2016

Aufklärungsrunde

"Aber Du gibst ja damit deine ganze Freiheit ab."
"Mmh, ja... aber gerade diese Möglichkeit auszuleben bedeutet für mich Freisein."

Da sitzen wir - 2 Tassen Tee, eine riesige Packung Salzstangen und eine Wärmeflasche zwischen uns auf ihrem Sofa und plaudern über mein Leben. Eigentlich wollte ich nur was abholen und nun versuche ich Ihr in kürzester Zeit zu erklären, dass es mein freier Wille ist zu seinen Füßen zu sitzen, erfüllend seine Kontrolle über mich im Alltag zu spüren, eine Ehre sein Halsband zu tragen, von der Lust am Schmerz gar nicht zu reden.

Zum Glück sitzt mir einer der wundervollsten und tolerantesten Menschen gegenüber, die ich jemals kennen lernen durfte - eine meiner liebsten, engsten Vertrauten. Sie nickt, nippt am Tee und fragt nach: "Und es macht Dir wirklich nichts aus, wenn Sie gewisse Dinge darf und Du nicht? Ich versuche nur gerade in meinen Kopf zu bekommen, dass Du es wirklich so willst, diese... Erniedrigung.". Nachdenklich knibbele ich das Salz von der Stange ab (6). "Weißt Du, diese Hierarchie, diese Strukturen, Grenzen, Regeln, all das sind für mich Orientierungspunkte, geben mir Sicherheit, wenn ich nicht selbst über mich bestimme muss ich wissen was dieser andere Mensch von mir erwartet und will, derjenige, an den ich die Kontrolle abgegeben habe. Und es ist mein innerstes Bedürfnis zu dienen, darin finde ich meine Erfüllung, ich bin glücklich so, so wie Du glücklich bist wenn D. Dich an jeder Entscheidung teilhaben lässt. Wobei ich natürlich ebenfalls meine Meinung und Ansichten kundtun kann und sogar soll, schließlich bin ich nach wie vor ich mit all meinen Gefühlen und Gedanken, Werten und Vorstellungen, ich lege lediglich keinen Wert darauf, dass diese auch 1:1 berücksichtigt werden, im Gegensatz zu Dir. Ich rede hierbei von alltäglichen Dingen, Kleinigkeiten. Aktiv vs. passiv. Es bedeutet allerdings nicht, dass ich völlig übergangen werde, insbesondere in wichtigen Entscheidungen oder was Grenzen und Tabus betrifft. Er kümmert sich gut um mich, geht auf mich ein und geht behutsam mit mir um, auch wenn es nicht immer den Anschein hat. Noch ist alles sehr frisch - aber nimm zum Beispiel J. - den kennst Du zwar auch nicht, aber da hatte ich all das über 2 Jahre, bis das Leben uns auseinander riss."
"Hm..." - Sie schaut gedankenverloren durch die Fensterfront auf die verschneite Terasse. "Was für alltägliche Dinge?"
"Essen, Einkauf, Outfit, Frisur... Er hat für mich einige Regeln in Abwesenheit verfasst." - ich gönne mir eine kleine Pause und ziehe die Decke über meine Beine. Sie schaut fragend zu mir rüber.
"Zum Beispiel muss ich Ihm jederzeit sagen wo ich mich aufhalte, mit wem und wann ein Foto vom Outfit das ich trage schicken, Er weiß was ich über den Tag esse, trinke, weiß was ich fühle und wie ich denke... bestimmt sogar darüber, ob ich mit mir selbst spielen und wenn ja, ob ich dabei auch kommen darf."
Kurz habe ich die Befürchtung, dass Sie die Tasse fallen lässt, so schockiert wie Sie mich ansieht.
"Er..." - Sie neigt ihren Kopf zur Seite und schaut mich mit einer hochgezogenen Augenbraue ungläubig an. "Er erlaubt es Dir zu kommen?! Also einen Orgasmus zu haben?!" Wir müssen beide lachen.
"Ja natürlich, ich gehöre Ihm, mein Körper, meine Seele, mein Herz, soweit dies eben möglich ist, ich weiß schon, ich kann de facto niemandem gehören."

Ihre Hände fahren vom Nasenrücken zu den Schläfen und zurück, während Sie den Kopf in den Nacken lehnt und grübelnd an die Decke schaut und auch ich hänge meinen Gedanken oder besser gesagt Gefühlen nach. Diesem besonderen Gefühl, das der Gedanke "ich gehöre Ihm" auslöst - Gänsehautfeeling. Mir fällt auf wie stark ich mich noch an J. orientiere - J. hier, J. da... es ist verdammt nochmal rund 5 Jahre her und ich trage Ihn immer noch bei mir, das war mir gar nicht so deutlich bewusst.

"Und hast Du nicht das Gefühl A. mit Ihr teilen zu müssen?"
"Nein. Ich tu es zwar, aber es steht nicht im Vordergrund, nichts was mich beschäftigt. Es ist doch so, wir beide, Sie und ich sind so verschieden, dass man uns nicht miteinander vergleichen kann. Wir ergänzen uns auf ideale Weise und hm... es steht Ihr zu. Frag mich nicht warum ich es kann - ich kann es einfach." - Ja warum eigentlich? Warum kann ich einen geliebten Menschen mit jemandem, den ich sehr mag teilen? Wie viele können es trotz all der Toleranz und theoretischem Wissen nicht.
"Ich könnte das nicht. Wenn ich mir überlege, dass ich mit D. eine Beziehung führe und dann jemand neues dazu kommt... Wie steht ihr denn überhaupt zueinander? Führt ihr beide dann auch eine Beziehung?"
"Ja, wir stehen in Bezug zueinander, also in jedem Fall ja. Du willst vermutlich auf eine Liebesbeziehung hinaus. Ich bin nicht in Sie verliebt, in Ihn ja, Sie mag ich einfach sehr, so wie ich Dich mag, nur einen Tick mehr, da ist dann auch die sexuelle Komponente inbegriffen."
"Oh wow, ich mag Dich auch sehr, aber so weit würde ich dann doch nicht gehen." - spricht und duckt sich, als das erste Kissen fliegt.
"Keine Sorge - ich falle schon nicht über Dich her... wobei." - ich versuche den standardmäßigen ´Hey Baby´ Kneipenblick über den Rand der Teetasse und bin froh, dass Sie noch mieser zielen kann als ich, als das Kissen meterweit neben mir auf dem Boden landet.
"Ich finde das ehrlich so spannend, am liebsten würde ich mal Mäuschen spielen, wenn ihr euch trefft."
"Ohja, ich kann Dich ja einfach mitnehmen: `Das ist K. - Sie sitzt nur still dort in die Ecke und möchte nur zusehen.´ - das wär´s doch! Du weißt doch wie kritisch ich Zoobesuchen gegenüber stehe."

Wir knabbern einige Salzstangen (15) und beobachten eine Amsel auf der Terasse bei dem Versuch etwas Essbares unter der dünnen Schneedecke hervorzuholen.

"Erzähl mir mehr, was musst Du noch machen... sorry, was willst Du noch machen?"
"Sowohl als auch quasi. Nun, wir haben zum Beispiel erwähnt, dass das Sofa für Sie und Ihn zur Benutzung frei stünde oder dass nur Sie Ihn küssen darf, zunächst einmal, das zum Beispiel ist ein Punkt, an dem Sie arbeiten möchte."
"Du sitzt nicht mit auf dem Sofa? Wo sitzt Du denn?"
"Na so viele Möglichkeiten bleiben ja nicht übrig oder?" - ich muss schmunzeln wie sie mich völlig ratlos ansieht. "Ich sitze einfach auf dem Boden - zu seinen Füßen."
"Auf dem Boden?! Und Sie neben Ihm auf dem Sofa?! Wow..." - Sie macht einige große Schlücke Tee und blickt konzentriert in ihre Tasse, als läge darin die Antwort auf alle Fragen.
"Ja, keine Sorge, es ist weich Dank Teppich und ich mag es so, es fühlt sich gut an. Wobei ich ehrlich gestehen muss, dass wir dies noch nicht so praktiziert haben, ich kenne es lediglich aus der Zeit mit J.." - Schon wieder J. - das wird so langsam zur Gewohnheit.

Draußen fallen vereinzelt weiße, weiche Flocken vom Himmel und pflastern bald die letzten Fleckchen grauen Asphalts zu. Die Amsel ist entweder fündig geworden oder sucht sich eine bessere Quelle, als sie mit kräfigen Flügelschlägen davon fliegt.

"Und die Kinder? Ich meine, irgendwann wirst Du deine Mädels aufklären müssen, wenn ihr es nicht ausschließen könnt zusammenzuziehen." - Ja, ja, ja... ich habe es mal erwähnt, dass Lübeck doch keine üble Stadt zum Leben wäre.
"Was soll mit denen sein? Schließlich hat niemand vor vor ihren Augen eine Session abzuhalten."
"Ich meine auch vielmehr diese Sache mit dem Sofa zum Beispiel."
"Nun, wie Du weißt bin ich bemüht meinen Kindern Toleranz zu vermitteln, es gibt so unendlich viele Lebensentwürfe und es steht uns nicht zu über diese zu urteilen. Ich lebe vegan und Du weißt ein gutes Steak zu schätzen - beide sind wunderbare Menschen. Ich würde es natürlich irgendwann erklären, aber solange wird ein ´es gefällt mir so´ vermutlich ausreichen. Zudem ich vermutlich nicht immer auf dem Boden hocken muss. Wenn Besuch da ist, wäre es in manchen Fällen einfacher mich am Tisch sitzen zu lassen, hier dann aber zum Beispiel abzunicken, dass ich mich setzen darf."
"Dann frage ich mich wo Du schläfst, also schlaft ihr alle in einem Bett oder...?" - Sie legt ihren Kopf zur Seite und schaut mich fragend an.
"Konsequent wäre es mich auch hier auf dem Boden schlafen zu lassen, bzw. am Fußende. Du musst bedenken, Ausnahmen sind jederzeit möglich, nur nicht von mir aus." - mein Tee ist inzwischen kalt und ich spüle die letzten Salzstangen (20) runter als D. das Wohnzimmer betritt.

"Hallo Jezebel, alles gut bei Dir?"
"Hey D. - ja, ich kann nicht klagen." - nein das kann ich tatsächlich nicht. Verschwörerisch tauschen K. und ich einen wissenden Blick aus. Mein "Geheimnis" ist bei Ihr sicher.
Kurze Zeit später verabschieden wir uns und ich trete den Rückweg an - die Koffer müssen noch gepackt werden, die Woche verbringe ich geschäftlich auf Reisen.

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